Am 21. Dezember 1913 wurde in der "New York World" das erste Kreuzworträtsel veröffentlicht. Damit begann eine Erfolgsgeschichte
Die Wurzeln von Sprachrätseln und
Sprachspielen reichen sehr weit zurück: Die Griechen
ritzten schon im 6. Jahrhundert v. Chr. magische Quadrate und
Buchstabenrätsel in Statuen. In der Bibel sind mehrere Psalmen so
angeordnet, dass jeweils die ersten Buchstaben einer Zeile den 22
Buchstaben des hebräischen Alphabets folgen. In der Spätantike und im
Mittelalter war das sogenannte Sator-Quadrat weit verbreitet – ein
magisches Quadrat, dessen Zeilen vor- und rückwärts gelesen werden
können und das als Schutz gegen einen bösen Zauber diente.
Das oben abgedruckte erste Kreuzworträtsel der Welt
(es hiess damals noch Word-Cross, Wortkreuz) war rautenförmig. Es
erschien am 21. Dezember 1913 in der Weihnachtsbeilage der Zeitung "New
York World" und enthielt 31 Suchbegriffe. Einer, nämlich FUN, war schon
eingetragen. Arthur Wynne heisst der geistige Vater dieses Wortspiels,
ein Einwanderer aus dem englischen Liverpool. Wynne war Redakteur der
"New York World" und leitete die Abteilung "tricks and jokes". Unter
anderem musste er allwöchentlich die Sonntagsbeilage "Fun" - Spaß - mit
neuen Rätseln füllen. Für die Weihnachtsausgabe 1913 wollte sich
Arthur Wynne etwas ganz besonderes für seine Leser einfallen lassen.
Den Anstoß gab ihm ein kleines Wortspiel, das er noch aus seiner Kindheit in England kannte: das magische Quadrat. Dabei handelte es sich um ein Kästchenquadrat, in dem die Buchstaben so angeordnet werden mußten, daß in jeder Zeile und jeder Spalte ein Wort stand. Über fünf mal fünf Kästchen kam dieses Rätsel nicht hinaus, weil sonst nicht ausreichend viele Wörter zu Verfügung standen. Arthur Wynne wollte aber beliebig viele Wörter kreuzen lassen. An die Stellen, an denen ein Wort begann - ob waagerecht oder senkrecht - platzierte er eine Ziffer - stellvertretend für die Definition des gesuchten Begriffs. Arthur Wynne starb 1945 im Alter von 74 Jahren im Bundesstaat Florida. Reich wurde er mit der genialen Idee nie, da er es versäumt hatte, sich den Einfall patentieren zu lassen. Seine Tochter Catherine Wynne Cutler glaubt, dass ihr Vater sich über die verpasste Chance dennoch nicht zu sehr geärgert habe. „Er hat es genossen, dass die Leute ihn den Vater des modernen Kreuzworträtsels genannt haben“, sagte sie dem TV-Sender CBS.
Den grossen Durchbruch feierte das Denkspiel aber erst rund zehn Jahre
später, dank zweier Absolventen der Columbia-Universität in New York, die den Verlag Simon &
Schuster gründeten. Dieser Verlag, der später zu einem der bedeutendsten Verlagshäuser der USA
werden sollte, war bei der Erstausgabe des Kreuzworträtsel-Buches im
Jahr 1924 sehr vorsichtig. Nur 3600 Exemplare wurden gedruckt, Käufer
bekamen einen Bleistift kostenlos dazu. Nach mehreren
Neuauflagen wegen der hohen Nachfrage stand die Verkaufszahl am Ende bei
über 100.000 Stück. Weitere Rätselbücher folgten und schafften es auf
die Bestsellerlisten. Die kniffligen Wortpuzzle wurden zu einer der
beliebtesten Freizeitbeschäftigungen in den Goldenen Zwanzigern.
Kreuzwort-Lexika kamen auf den Markt, die Eisenbahngesellschaft
Baltimore & Ohio Railroad stattete seine Passagierwaggons mit
Wörterbüchern aus und die Stadtbücherei von Los Angeles musste angeblich
sogar die Zeit für die Nutzung ihrer Nachschlagewerke begrenzen - so
lang soll die Schlange von Rätselfreunden gewesen sein.
In Grossbritannien erschien das erste Kreuzworträtsel 1922 in „Pearson’s Magazine“. Die altehrwürdige "Times" brachte am 1. Februar 1930 ihr erstes Kreuzworträtsel. Das erste Kreuzworträtsel in einer deutschen Zeitung druckte 1925 die "Berliner Illustrierte". Auch in der Schweiz wurden schon 1925 Kreuzworträtsel publiziert: In der Beilage "Zeitbilder" des Tages-Anzeigers wurde am 28. Februar 1925 ein Kreuzworträtsel abgedruckt. Die «Schweizer Illustrierte Zeitung» publiziert am 5. März 1925 ein Kryzi (siehe unten). Die einzelnen Kästchen waren durchnummeriert und die Nummern jeweils vor der Frage aufgelistet. In diesem Rätsel wurde u.a. nach biblischen Personen, nach eine griechische Göttin und nach mythologische Figuren gefragt. Da peilte man offenbar eine Leserschaft mit grosser Allgemeinbildung an.
Schon am Rätselgitter
kann man erkennen, woher das Rätsel stammt: Die amerikanischen sind fast
immer quadratisch, die Schwarzfelder sind symmetrisch, ihr Anteil am
Gesamtfeld beträgt höchstens 30 Prozent. Britische Gitter haben einen
hohen Schwarzanteil, viele Buchstaben gehören nur zu einem Wort, was das
Rätsel schwerer macht. Japanische Rätsel sind kleiner, aber sie haben eine ganze Silbe pro Feld. Auf die Idee, die
Fragen in eines der Kästchen zu schreiben und mit einem
richtungsweisenden Pfeil zu versehen, kamen einige Jahre später erst die
Schweden – darum wird diese Form des Kreuzworträtsels auch
Schwedenrätsel genannt.
Wichtig bei den Kreuzworträtseln ist die Fragestellung. Die grosse Masse der Kreuzworträtsel wird heute per Computer erstellt und fragt Wissen ab, das oft nur in Kreuzworträtseln wichtig ist. Oder kennen Sie sonst den Begriff EGEDE (Missionar bei den Eskimos), den TER (spanischer Küstenfluss) oder gar den AGNAT (Blutsverwandter in der männlichen Linie)?
Klassische Kreuzworträtsel kann jeder lösen. Notfalls helfen Google, Ecosia oder Kreuzworträtsel-Datenbanken weiter.
Schwieriger wird es bei den sogenannten kryptischen Kreuzworträtseln. "Kryptisch" bedeutet laut Duden "unklar
in seiner Ausdrucksweise und Darstellung und deshalb schwer zu deuten,
dem Verständnis Schwierigkeiten bereitend". D.h. die Lösungswörter sind zwar (meistens)
einfach und bekannt, doch der Weg zur Lösung ist verschlüsselt. Der Reiz
liegt in der sprachspielerisch formulierten Frage. "Fliesst
inkognito in die Nordsee, könnte im Plural aber auch dorthin fliegen". Das ist eine typische Frage in einem kryptisches Rätsel.
Bei der "New York Times" sorgt seit sehr vielen Jahren Will Shortz dafür, dass die Fragen einem Stil entsprechen, der dem Standard des Blatts entspricht. Der regelmässige Rätsellöser weiss, dass die Rätsel am Montag einfach sind und die Schwierigkeit bis zum Samstag ansteigt. Bei der "New York Times" haben heute über 50'000 Online-Leser das Rätsel abonniert. Trotzdem reicht die Verdrehtheit der Fragen nicht an die britischen Cryptic-Rätsel heran. Das populärste deutsche Rätsel dieser "kryptischen" Art ist aufgrund des Verbreitungsgrads "Um die Ecke gedacht", auch "Zeit-Rätsel" genannt. Es wurde 1971 im Magazin der Wochenzeitschrift "Die Zeit" lanciert.
Die
damalige NZZ-Redaktionsassistentin Margret Mellert brachte 1973 in der
Schweizer Tageszeitung "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) das erste
anspruchsvolle Kreuzworträtsel der Schweiz heraus. Es folgten später die
"WochenZeitung" (WOZ) und das MAGAZIN des "Tages-Anzeigers". Kryptische
Kreuzworträtsel erscheinen in der Regel anonym oder unter einem
Pseudonym ("Eckstein" in der ZEIT). Aber es gibt Ausnahmen. Seit 1993 erscheinen die Kreuzworträtsel von Trudy
Müller-Bosshard (TMB) im
«MAGAZIN» des «Tages-Anzeigers». TMB hat in der Schweiz mittlerweile Kultstatus erreicht. Es gibt sogar einen eigenen Blog für
TMB-Fans, die sich gegenseitig Ratschläge und Lösungshilfen geben: http://tmbneu.blogspot.ch/ 2002-2015 erschienen auch die kryptischen Rätsel „Kreuzverquer“ von Vreni Schawalder in
der "NZZ am Sonntag". Auch sie hatte eine grosse Fangemeinde.
Trudy Müller-Bosshard
Das Lösen von Kreuzworträtseln kann Suchtcharakter annehmen, aus dem Bestreben des Rätslers, die leere Kästchen zu füllen. Der Spieler steigert sich in ein dramatisches Endspiel hinein: Die letzten Felder werden immer schneller ausgefüllt, das gibt jedes Mal einen kleinen Ausstoss von Adrenalin, so dass das Gehirn auf den schliesslichen Erfolg mit einem Entzug reagiert: Wann kommt endlich das nächste Rätsel? Gerätselt wird jedenfalls schon so lange, wie es Kulturen gibt. Kreuzworträtsel sind mit schätzungsweise 42 Millionen Gelegenheitslösern im deutschsprachigen Raum besonders beliebt.
Übrigens: Die Antwort auf die oben gestellte Frage heisst: AARE (der Fluss, der via Rhein in die Nordsee fliesst, respektive der poetische Begriff für Adler).
Für alle, welche sich am ersten Kreuzworträtsel der Welt die Zähne ausgebissen haben, hier noch die Lösung:
Und hier ist die Lösung des ersten Rätsels in der «Schweizer Illustrierte Zeitung». Die Lösungen sind teilweise schon dieselben wie heute!
Zum Thema TMB: Sie verfasste ihre Rätsel auch schon vor ihrer Zeit im Magazin; sie wurden damals im 'Magazin für Spielen und mehr AHA!' veröffentlicht. Sie scheint dort auch anderweitig journalistisch/redaktionell tätig gewesen zu sein. Das war jedoch noch vor dem Internet-Zeitalter, deshalb lässt sich darüber im Netz so gut wie gar nichts finden. Ausnahme: Ein kurzer Artikel von TMB selbst aus der Zeitschrift 'der arbeitsmarkt' aus dem Jahr 2010, in dem sie über ihren Tag als Rätselautorin berichtet und 'AHA' kurz erwähnt (https://derarbeitsmarkt.ch/de/print-artikel/Trudy-Mueller-Bosshard). Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich ihre Rätsel damals noch nicht zu schätzen wusste - ganz im Gegensatz zu heute!
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